Das brennende Herz. Über den kubanischen und von 80ern inspirierten Gemäldezyklus Jaroslaw Jeschkes¹
In der Thematik der Gemälde aus dem kubanischen Gemäldezyklus von Jarek Jeschke kann man nur vergeblich die Anzeichen des lateinamerikanischen Barocks suchen, der im Titel der Ausstellung „Heartburn“ angekündigt wurde. Sie fand in der zweiten Assembly Galerie in Berlin (23.06-7.07.2017; Kuratorin: Katarzyna Kucharska) statt. In der Form der Bilder finden wir keine Spuren der Leidenschaft für die exotische Ästhetik Kubas. Die auf den Bildern dargestellten Geschichten sind sparsam und komprimiert.
Ohne den Filter der rostfarbenen Sepia, die eine häufig bei der Darstellung von touristischen Bildern dieses Landes angewandte Technik ist, lehnen die Bilder von Jeschke Nostalgie und Ressentiment ab. Mit dem auffalend grauen Ton erinnern sie an den Geist der Wohnblocks der Volksrepublik Polen, deren Fassaden der Künstler vor einer Dekade farblich malte.2 Die etwas grauenvollen kubanischen Vorstellungen, deren Stilistik momentan der urban fantasy ähneln, obwohl sie eindeutig der billigen ästhetischen Effekte beraubt wurden, begleiten Bilder aus dem 80er-Jahre Zyklus, welche die in der Volksrepublik Polen herrschende Atmosphäre der Kälte, des Terrors und der Angst übermitteln, die in der Dekade, auf die die Kindheit des Künstlers gefallen ist.
Der Schlüssel zu dem Zyklus, der ein Ergebnis einer Reise ist, sind die Namen der kubanischen Städte, die der Künstler während eines zweimonatigen Studienaufenthaltes zusammen mit Agnieszka Halas besuchte.3 Das Ziel der Expedition war, wie sie behaupten: „die Untersuchung, wie die Kunst in einem totalitären System funktioniert, wie die Künstler in dem System zurechtkommen und, wie das Leben der üblichen Menschen im Kommunismus aussieht.“ Obwohl manchmal die beschreibenden Funktionen auf den Bildern von Jeschke scheinen, die für den Bereich Grafik typische Mittel zu sein, finden wir auf denen auch kein etnografisches Wissen. Im Konzept der Ausstellung, deren Ergänzung die sich auf 80er in Polen beziehenden Bilder sind, kehren jedoch Echos der Beobachtungen von Ryszard Kapuscinski zurück. Er schrieb, dass „das, was gerade im Mittelosteuropa passiert, die Wiederholung der für das lateinamerikanische Modell typischen sozioökonomischen Prozesse ist.4 Die Verzögerung unseres Weltteiles gegenüber Kuba, über die ein hervorragender polnischer Berichterstatter schrieb, scheint den Weg zum Verständnis der Bilder von Jeschke und seine Leidenschaft für das Territorium des fernen Landes zu zeigen. Genauer gesagt, relevant ist das geschichtliche Bewusstsein, das dem Künstler lässt, auf die Kolonialbeziehung eines privilegierten Outsiders verzichten.
Jeschke bemerkt, dass eine anständigere Haltung zur Geschichte der Verzicht auf proegressistisches Konzept der Verzögerung zugunsten der Idee der „geteilten Zeit“(shared time) ist , die davon handelt, wie anwesend die Vergangenheit in der Gegenwart ist.5 Die Anerkennung der Vielfalt von geschichtlicher Erfahrung authentisiert und macht seine Malbeobachtungen der langen Dauer untergehendes Regimes aus einer Perspektive eines aus einem postkommunistischen Land kommenden Künstlers noch spannender.6 Zugleich in das Konstruieren von Vorstellungen des Gemeinschaftsgefühles und der Unterschiede ist das Denken in Kategorien der Diskontinuität engagiert, das zum transformativen Gedanken von Focault neigt, der auf einer Suche nach einem Träger ist, dank dessen „sich ein Netz von Überlieferungen, Rückkehr, Vergessenheit und Wiederholungen bildet“7. Dieser Träger in der Jeschkes Kunst sind eben die Bilder, die sein subiektives Bewusstsein ausdrücken. Der kubanische Sozialismus erscheint auf denen wie ein Malgespenst, das uns in die Tiefe der kommunistischen Realität des eigenen Landes zurückführt. Mit der Atomosphäre des Systems ist der Künstler am Ende der 70er und 80er Jahren herangewachsen. Wobei das schwierige Kontinuum, über das die Wahl der Werke aus 2 Zyklen von Jeschke „erzählt“, entsteht auch durch die Mitwirkung von Zuschauern, deren Rolle darin besteht, die Beziehungen zwischen ihnen zu bauen. Unser Wissen entsteht also fragmentarisch – in einer traumartigen Atmosphäre der uns angebotenen Werken. Ein anderes Mal vermehrt sie sich um die spannenden Details herum, die der Künstler (beinahe unter den Einfluss von dem Tropenklima) übertrieben dargestellt hat. Man kann auch einen Eindruck haben, dass manche Bilder wiederum vor den Zuschauern das schändliche „Ganze“ verbergen, das in der Vorstellung des Künstlers bleibt. Für das von ihm gewählte Darstellungskonzept, das die Illustrationskunst zugunsten der konzeptuellen Haltung zur eigenen Reise ablehnt, ist aber der Eindruck gemeinsam, dass die Grenzen zwischen der Anwesen- und Abwesenheit oder zwischen der Gegenwart und Vergangenheit, die eine Art bildlicher, subjektiv verwurzelter, hauntologischer Ergänzung der Geschichte in „hier und jetzt“ eines Bildes, verwischt werden.8
Die Ausstellung der Bilder wurde durch Videofilme und von Jeschke selbstgemachter monochromer Lichtorgel ergänzt, die ein monochromatisches Licht ausstrahlt. Die Ausstellung wird weder von Revolutionsfarben noch von grellen Lichtern, die an die Partys in der Zeit der Volksrepublik Polen erinnern, attraktiver gestaltet.
Ewelina Jarosz
1 Der Titel der Ausstellung kann man sowohl als „das brennende Herz“ als auch als „Sodbrennen“ übersetzen.
2 Sie wurden auf einer Ausstellung „Betonowe Dziedzictwo. Od Le Courbusiera do blokersów“ (Betonerbe. Von Corbusier bis zum Hipphopper) im Centrum Sztuki Współczesnej Zamek Ujazdowski, (Zentrum für zeitgenössische Kunst, Schloss Ujazdowski) in Warschau gezeigt.
3 Jaroslaw Jeschke bekam 2012 ein Stipendium des Ministeriums für Kultur und nationales Erbe „Junge Polen“
4 A. Domaslowski, Gorączka latynoameykańska, (Lateinamerikanisches Fieber) Świat Książki, Vowort: Ryszard Kapuscinski, Warschau 2004, s. 6.
5 J. Fabian, Time and the Other. How Antropology Makes its Object, New York, Columbia, University Press/New Haven, CT: Yale University Press, 1984; Im Bereich der Studien über visuelle Kultur wurde das antropologische Konzept Fabians von Mieke Bal bearbeitet. Siehe: M. Smith (ed.), Visual Culture Studies. Interviews with Key Thinkers, Sage Publications Ltd 2008, S. 225-227.
6 Über das Konzept des Fassens von Erscheinungen in der Perpektive der „langen Dauer“ schrieb Fernand Braudel, ein Vertreter der Annales-Schule. Siehe F. Braudel, Historia i trwanie, (Die lange Dauer) mit Vorwort von B.Geremek und W. Kula, Warschau, 1971. In Polen beschäftigt sich seit vielen Jahren Wojciech Wrzosek mit der Bearbeitung von der Braudels Idee, als eine der bedeutsamsten für die Methodologie der historischen Forschung). Idem, W poszukiwaniu czasu historycznego. Czas – kultura – Historia, [In:] Stosunek do czasu w różnych strukturach kulturowych, Z. Cackowski, J. Wojczakowski (red.), Warschau 1986; Idem, Idea kultury materialnej F. Braudela, „Kwartalnik Historii Kultury Materialnej”, 1994, Nr 2, S. 167-172.
7 M. Foucalult, Archeologia wiedzy (Archäologie des Wissens), [In:] Drogi współczesnej filozofii (Die Wege der zeitgenössischen Philosophie), Red. Vorwort von M. J Siemek, Übertragung: Stanisław Cichowicz, Czytelnik, Warschau 1978, S. 267.
8 Ich greife auf dieser Stelle auf das philosophische Konzept der „Hauntologie“ von Jaques Derrida. Siehe: Idem, Specters of Marx: The state of the debt, the work of mourning and the new international, trans. P. Kamuf, Routlege 1994. Siehe auch: A. Marzec Widmontologia. Teoria filozoficzna i praktyka artystyczna ponowoczesności, Warschau: Bęc Zmiana, 2015.